Stolperschwellenverlegung in Wasseralfingen

Gedenken an das Schicksal der mehr als 400 Häftlinge im KZ Wiesendorf

Unter großem Zuspruch fand am Samstag, 26. August 2023, die Verlegung der ersten Stolperschwelle auf Aalener Stadtgebiet durch den Künstler Gunter Demnig in Wasseralfingen statt. Die Anwesenden gedachten der mehr als 400 KZ-Häftlinge, die zwischen September 1944 und Februar 1945 im Wasseralfinger KZ Wiesengrund inhaftiert gewesen sind. Im Auftrag des NS-Wirtschaftsministeriums mussten sie unter menschenunwürdigen Bedingungen unter Tage Produktionsstollen graben.

Zukünftig sollen Informationstafeln an die Opfer erinnern. Die erste wurde jetzt an der Ecke Rosenstraße/Kolpingstraße im Anschluss an die Verlegung der Stolperschwelle enthüllt. Die zweite Tafel wurde im weiteren  Verlauf der Gedenkfeier von Erstem Bürgermeister Wolfgang Steidle und Stadtarchivar Dr. Georg Wendt bei der urbanen Wildnis enthüllt.


Viele Jahrzehnte lang sei dieses traurige Kapitel der Wasseralfinger Geschichte verschwiegen worden, sagte Ortsvorsteherin Andrea Hatam bei ihrer Begrüßung und betonte, dass es gerade in heutiger Zeit wichtiger denn je sei zu verhindern, dass so etwas jemals wieder geschehe. Aufbauend auf den Recherchen des früheren Stadtarchivars Karlheinz Bauer haben die Mitglieder der Aalener Stolpersteininitiative und des Bundes für Heimatpflege Wasseralfingen intensiv zu den Verhältnissen im Lager und dem Schicksal der Häftlinge geforscht. „Dank Ihres großen Engagements wissen wir jetzt viel mehr von den damaligen Verhältnissen im Lager“, sagte Hatam. So seien jetzt auch alle Namen der Opfer bekannt.


Heute gedenke man nicht einzelner Personen, sondern 400 polnischer Männer, die während des Warschauer Aufstandes ins KZ „Wiesendorf“ in Wasseralfingen verschleppt worden seien. „Vernichtung durch Arbeit“ sei die Devise gewesen und tatsächlich hätten weniger als die Hälfte der Häftlinge überlebt, so Hatam weiter. Sie berichtete auch von Schilderungen Wasseralfinger Zeitzeugen, die den täglichen Zug der ausgemergelten KZ-Häftlinge zu den Stollen noch erlebt hatten. Trotz der angedrohten Strafen hätten barmherzige Menschen den Häftlingen auch immer wieder Essbares zugesteckt. Bereits seit 1985 erinnere ein Gedenkstein bei der Schillerlinde an die vier KZ-Insassen, die nach einem Fluchtversuch am Brauenberg erschossen wurden. Weitere Tafeln, u.a. am polnischen Gräberfeld auf dem Friedhof, sollen folgen.

 

Cordula Hofrichter, Klaudius Frank, Albrecht Jenner und Josef Mischko von der Stolpersteininitiative erinnerten mit eindrucksvollen Zitaten ehemaliger KZ-Häftlinge an die unmenschlichen und grausamen  Haftbedingungen im Lager.

Für den Verein „Gegen das Vergessen – für Demokratie“ sprach der ehemalige Landtagsvizepräsident Dr. Alfred Geisel ein Grußwort. Er dankte allen Beteiligten für die geleistete Aufklärungsarbeit. Umso wichtiger, da in unseren Tagen eine „längst überwunden geglaubte Ideologie ihre hässliche Fratze“ zeige.


Anschließend führte Stadtarchivar Dr. Wendt die Anwesenden zur urbanen Wildnis. Dabei wurde der gleiche Weg genommen, den die Häftlinge damals täglich nehmen mussten.

 

Erster Bürgermeister Wolfgang Steidle ging in seinem Grußwort auf die Geschichte des Ortes nach Ende des Zweiten Weltkriegs ein. Insbesondere schilderte er die immer wieder auftretenden Tagebrüche, die dazu führten, dass die als Kleingartenanlage genutzte Fläche gesperrt werden musste und in eine urbane Wildnis verwandelt wurde. Steidle dankte dem breiten bürgerschaftlichen Bündnis, das diesen Tag der Erinnerung erst ermöglicht habe. Er dankte auch den Vertretern der Firma Alfing, namentlich Geschäftsführer Konrad Grimm, „der die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit nicht scheut“. Es erfordere Erfahrung, Mut und Durchsetzungsstärke, dieses schwierige Kapitel der Wasseralfinger Geschichte aufzugreifen, hob er den besonderen Einsatz von Ortsvorsteherin Andrea Hatam hervor. Dass die Bürgerinnen und Bürger Wasseralfingens bereit seien, sich der Vergangenheit zu stellen, das beweise ihr Engagement am heutigen Tage, schloss Steidle.


Das Bezirksamt Wasseralfingen bedankt sich bei allen Engagierten, Beteiligten und Teilnehmern, die mit ihrer großen Expertise dieses Projekt vorangetrieben und zum Gelingen der Veranstaltung beigetragen haben, sehr herzlichen. Ebenso der Bläsergruppe der SHW Bergkapelle für deren würdige musikalische Umrahmung.

© Stadt Aalen, 14.09.2023